Burgherren, Baumeister, Plagegeister?
3.4.2023 | MINT
Wenn man die Besonderheiten eines Bibers aufzählen möchte, weiß man gar nicht wo man anfangen und wo man aufhören soll. So viele gibt es. Zum Beispiel der Biberschwanz, auch genannt Biberkelle. Wer denkt, der Biber braucht ihn zum Schwimmen und Steuern seiner Bewegungen im Wasser, der irrt. Die Biberkelle hat drei Aufgaben, die nichts damit zu tun haben. Erstens, er nutzt sie als Stuhl. Ja, richtig gelesen, Stuhl. Beim Fressen und nagen, zum Beispiel an Ästen, sitzt er gern auf seiner Kelle, die er dafür unter seinen Hintern klappt. In den Pfoten hält er sein Futter und knabbert daran. Zweitens dient die Biberkelle als Fettspeicher für magere Zeiten im Winter. Und drittens nutzt er sie als Signal, um Artgenossen vor möglichen Feinden oder Gefahren zu warnen. Dann klatscht er laut damit aufs Wasser.
Dies und noch viel mehr berichtete Thomas Michler vom Nationalpark Bayerischer Wald in der letzten Deggendorfer Kinderuni in der es hieß „Burgherren, Baumeister, Plagegeister? Auf den Spuren des Bibers". Schon einmal war Herr Michler für eine Kinderuni an die Technische Hochschule nach Deggendorf gekommen. Damals berichtete er über das geheime Leben im Totholz. Es war die letzte Präsenzkinderuni der THD bevor die beliebte Reihe in Conora-Pause und dann in den virtuellen Modus wechselte. Seit Herbst ist die Kinderuni wieder fester Bestandteil des Hochschulangebots und Herr Michler kam gern – hat er doch seine letzte Kinderuni in bester Erinnerung, wie er sagte, vor allem die vielen engagierten Kinder. Auch diesmal waren die Kinder ganz bei der Sache und wussten schon viel, als der Dozent sie zu Aussehen und Lebensweise des Bibers befragte. Zur Anschauung hatte er ein echtes Bibermodell dabei, dass die neugierigen Besucherinnen und Besucher im Anschluss an die Veranstaltung näher ansehen und auch anfassen durften. Ebenso zum Anfassen hatte Herr Michler ein Biberfell dabei, an dem man die Dichtheit des Pelzes selbst erleben konnte. Wer versuchte, seine Fingerspitzen bis zum Grund des Fells, also bis zur Haut, durchzuwühlen, hatte es schwer. So dicht ist es. Mit ca. 23.000 Haaren pro Quadratzentimeter ist der Biber im Vergleich zum Menschen sehr gut ausgestattet. Der Mensch bringt es auf ca. 500 Haar pro Quadratzentimeter. Noch eine Besonderheit, neben der Biberkelle. Damit bleibt der Biber im Wasser trocken und warm.
Was den Kindern sofort auffiel waren die orangenen Zähne des Bibers. Ob er sich die nicht putzt, war die Frage der Kinder. Daran liege es nicht, erzählte Michler. Sondern daran, dass der Biber sich selbst schärfende Zähne besitze. In die Vorderseite der Schneidezähne sei Eisen eingebaut, so dass er prima Holz durchraspeln könne. Dabei produziert er Spähne so groß wie vier Bleistifte nebeneinander. Die Rückseite der Zähne sei nicht so verpanzert, sondern weicher. Damit würden sich die Zähne immer wieder nachschärfen. Dieses Phänomen habe man sich auch schon in der Technik von der Natur abgeschaut, wie Angelika Hable, Mitarbeiterin des MINT-Teams der THD und Organisatorin der Kinderuni, wusste. Im Forschungsbereich der Bionik übersetze man immer wieder Erfindungen aus der Natur in technische Anwendungen. So auch z. B. sich selbst schärfende Messer.
Der Biber ist also ein durchaus faszinierendes Tier. Doch wie schaut es mit seiner Verträglichkeit gegenüber dem Menschen aus? Schließlich beansprucht er große Gebiete, die er durch seine raffinierte Bautätigkeit aktiv gestaltet – nicht immer zur Freude des Menschen. So kann es vorkommen, dass er Straßenböschungen unterhöhlt oder landwirtschaftliche Maschinen wie Traktoren am Feldrand neben einem Bach in diese Unterhöhlungen hineinstürzen. Auch durch den Staudammbau des Bibers überschwemmte Äcker und Weiden will der Mensch nicht haben. Ebenso wie weggefressene Gartenstauden oder überschwemmte Gärten. Was also tun? Kommprommisse finden, so der Appell Michlers. Bäume und Stauden in Gärten könnte man durch Drahtgeflechte schützen, unterhöhlte Ackerränder durch genügend Abstand zum Gewässer vermeiden.
Nützt uns denn der Biber vielleicht sogar? Da fällt sicher kaum jemandem eine gute Antwort ein. Doch Herr Michler wusste verschiedenes zu berichten. Der Biber sei ein Motor der Artenvielfalt. Die von ihm gestalteten Wasserlebensräume wären Biotope für zahlreiche Tierarten, denen es dort sehr gut gefällt, wie Fische, Otter, Frösche, Störche, Ringelnattern, verschiedene Wasservögel, Molche, Käfer, Libellen usw. Deshalb darf der Biber im Nationalpark Bayerischer Wald ungestört bauen, denn oberste Aufgaben des Nationalparks sei der Erhalt der Artenvielfalt, so Michler. So könne man im Nationalpark eines der seltensten Säugetiere Deutschlands dank des Bibers wieder antreffen, sozusagen der Schneeleopard des Bayerischen Waldes: die kleine Waldbirkenmaus. Ebenso hat sich der Kranich angesiedelt und auch eine spezielle Käferart, die es an nur einem Ort in Deutschland gibt, im Nationalpark Bayerischer Wald.
Zum Schluss stellte Thomas Michler die Frage: „Wem gehört die Natur?“ Er hatte die Frage offen lassen wollen, als Anregung zum nachdenken. Aber die Kinderuni-Studierenden ließen sofort ihre Finger in die Luft schießen. Die Antworten waren eindeutig: den Tieren, hieß es oder wenigstens Tier und Mensch gleichermaßen.
Biber sind immernoch streng geschützt in Deutschland, obwohl es in Bayern inzwischen wieder ca. 20.000 Biber gibt. Bei Konflikten mit dem Menschen stehen ehrenamtlich beratende Biberberater zur Verfügung sowie hauptamtliche Bibermanager. Wenn andere Maßnahmen nicht greifen, werden zur Not die Bauwerke der Tiere entfernt oder die Tiere in Ausnahmefällen und nur mit behördlicher Genehmigung abgeschossen.
Die nächste Deggendorfer Kinderuni an der THD findet am 05.05. statt – diesmal aber nicht am Campus an der Donau, sondern in der Gesundheitsfakultät der Hochschule in der Land-Au 27. Dann dürfen alle Neugieren ab 8 Jahren zusammen mit Prof. Dr. Augn und seinen Studierenden des Studiengangs Physician Assistant unterschiedliche Untersuchungsgeräte wie Ultraschall ausprobieren. Infos gibt’s wie immer unter www.th-deg.de/kinderuni.
Bild (THD): Thomas Michler vom Nationalpark Bayerischer Wald berichtete über den Biber.