27.5.2014 |
Die Pläne und Visionen der Technischen Hochschule Deggendorf
Die Technische Hochschule Deggendorf möchte weiter wachsen und dazu ein neues Themenfeld beackern: das Gesundheitswesen (jenseits der Arztberufe). Dazu will man sich auch geografisch weiter ausbreiten: von Deggendorf in den benachbarten Markt Metten und nach Pfarrkirchen, wo die "Europa-Hochschule Rottal-Inn" als Zweitstandort der THD entstehen soll.
Vor 20 Jahren wurde die Fachhochschule gegründet mit den beiden Säulen Technik und Wirtschaft. 1500 Studenten wurden ihr bei der Gründung zugetraut, mittlerweile sind es fast 5000. "In den beiden Feldern Technik und Wirtschaft ist doch eine gewisse Sättigung eingetreten", sagte Präsident Prof. Peter Sperber gestern auf seiner Jahrespressekonferenz, auf der er die Pläne der Hochschule für die nächsten Jahre vorstellte. Durch Stiftungsprofessuren sei Gesundheit bereits Thema an der Hochschule und die Angebote, zum Beispiel zur Weiterbildung, in Mariakirchen und Kötzting seien gut angenommen worden. Deshalb habe man sich entschieden, Gesundheit als dritten Schwerpunkt aufzunehmen. TH-Präsident Prof. Peter Sperber (r.) und Wissenschaftsstaatssekretär Bernd Sibler stellten die Pläne gestern vor. − Foto: Gabriel
1000 neue Studenten im Gesundheitsbereich
"Hier geht es nicht um einen neuen Studiengang oder um eine weitere Fakultät, sondern um ein komplettes Feld", verdeutlichte Sperber die Tragweite der Entscheidung. Prognosen zu Studentenzahlen möchte der TH-Präsident eigentlich nicht abgeben, er nannte dann aber doch eine Hausnummer: 1000 zusätzliche Studenten könnte Deggendorf in dem neuen Bereich bekommen. Weil für die – trotz gerade fertig werdender Erweiterung – auf dem Campus kein Platz wäre, will sich die Hochschule im fünf Kilometer entfernten Kloster Metten einmieten. Teile des Klosters stehen leer und müssten aus Gründen des Denkmalschutzes ohnehin saniert werden, erläuterte Sperber. Außerdem seien im Kloster, das auch ein Gymnasium betreibt, Einrichtungen wie eine Mensa, eine Bibliothek oder Sportanlagen vorhanden.
In Deggendorf und Metten soll es künftig Bachelor-Studiengänge wie Gesundheitsinformatik, Angewandte Trainings- und Gesundheitswissenschaften, Pflege, Gesundheitsmanagement und – berufsbegleitend – Physiotherapie, Pflegepädagogik und Medizinassistenz geben. Die ersten Studiengänge sollen schon im kommenden Wintersemester starten, zunächst freilich provisorisch nur in Deggendorf untergebracht. Wenn der Landtag grünes Licht für die Anmietung gibt, würde ab 2015 im Kloster umgebaut, 2016 oder 2017 könnte die Hochschule dann einziehen. Die Entfernung ist für Sperber kein Problem: "Fünf Kilometer zwischen zwei Hochschulgebäuden, das ist in München gar nichts." Die benötigten Professorenstellen wurden der Hochschule schon zugeteilt.
An der Europa-Hochschule in Pfarrkirchen soll es ähnliche Studiengänge geben – allerdings in Englisch. Ansprechen will man damit junge Menschen vor allem aus Osteuropa, die in Deutschland im Gesundheitswesen arbeiten wollen und dafür bestens ausgebildet und außerdem intensiv in Deutsch unterrichtet werden sollen. Auch Auslandssemester sollen Pflicht sein.
Neben der Gesundheit strebt die Hochschule für Pfarrkirchen auch einen technischen Bereich an mit Studiengängen wie: Verfahrenstechnik, technische Chemie oder Wirtschaftsingenieur. Hier sollen Ingenieure fürs benachbarte Chemiedreieck ausgebildet werden. Studiert wird auf Deutsch, allerdings gibt es in den Eingangssemestern Vorlesungen auf Englisch und intensive Deutschkurse, um junge Menschen aus Krisen-Ländern wie Spanien, Italien oder Griechenland anzusprechen, die in Deutschland bessere Zukunftschancen sehen.
Weg vom verschulten Studium
Hochschulpolitisch wollen die Deggendorfer in Pfarrkirchen eine Revolution proben. Sie reagieren auf die Kritik, die Bachelor-Studiengänge seien zu "verschult". Die Studenten sollen in Pfarrkirchen wieder mehr Freiheiten – und damit auch wieder mehr Verantwortung – bei der Gestaltung ihres Studiums bekommen. Präsident Sperber: "Das ist ein großer Schritt, der eigentlich so nicht erlaubt ist." Er hoffe aber auf das "Selbstbewusstsein des Freistaats Bayern". Hochschul-Staatssekretär Bernd Sibler, der neben ihm saß, sprach von einem "sehr interessanten Konzept", von dem die Beamten in seinem Ministerium begeistert seien. Es gebe aber "noch viel Diskussionsbedarf".
Sperbers Konzept sieht für Pfarrkirchen einen Endausbau mit 10 Studiengängen, 60 Professoren und 70 wissenschaftlichen Mitarbeitern vor. Der Präsident hofft auf einen Start in Pfarrkirchen mit den ersten Gesundheitsstudiengängen im Wintersemester 2015/16 in angemieteten Räumen. Gleichzeitig könnte Baubeginn für einen Pfarrkirchener Campus sein. Die technischen Studiengänge würden erst mit dessen Fertigstellung starten. Bis 2020 soll der Aufbau abgeschlossen sein.
Zunächst geht es aber darum, dass Kabinett und Landtag das Konzept absegnen. Sibler deutete auch an, dass man nicht sofort über den Endausbau entscheiden, sondern "auf Sicht fahren" dürfte: "In Pfarrkirchen muss man vorsichtig beginnen und schauen, wie es sich entwickelt."
Die Hochschule Deggendorf wird heuer 20 Jahre alt und kann auf eine fast schon atemberaubende Entwicklung zurückblicken. In den 90ern für gerade einmal 1500 Studenten ausgelegt, hat sie heute fast 5000 – und nimmt nun sogar die 6000 ins Visier. Wer nach den Erfolgsrezepten sucht, landet schnell beim Langzeit-Präsidenten Reinhard Höpfl und seinem Nachfolger Peter Sperber. Beide haben die Ausrichtung der Hochschule "am Markt" perfektioniert.
Das funktioniert im Detail sicher anders als bei einem Unternehmen, das sich am Markt behaupten muss, die Prinzipien sind aber dieselben. Eine Besonderheit ist: Die Hochschule bedient mehrere Märkte. Der offensichtliche ist der Studenten-Markt. Um hier erfolgreich zu sein, braucht es zunächst gute Lehre. Aber es braucht beim Einrichten von Studiengängen auch ein Gespür dafür, was nachgefragt sein könnte. Aus diesem Gespür heraus reifte über die Jahre die Entscheidung, Studiengänge für das Gesundheitswesen – jenseits der Medizin und Zahnmedizin – anzubieten und nun massiv auszubauen.
Mit ihren Technologiecampi wendet sich die TH an die Unternehmen der Region, für die sie bezahlte Auftragsforschung macht.
Der dritte Markt ist wahrscheinlich der schwierigste: die Trends und Wünsche der Politik erkennen und rechtzeitig mit Konzepten zur Stelle sein, wenn Gelder zur Verfügung stehen. Auch das beherrscht man in Deggendorf meisterhaft. Eine Erfolgsgarantie für die neuen Produkte der Hochschule gibt es freilich nicht, weder für die neuen Studiengänge in Metten noch für das Großprojekt in Pfarrkirchen. Wenn sie die Hürde der Politik genommen haben, müssen sie sich auf dem Studenten-Markt bewähren.
Quelle: Deggendorfer Zeitung
Autor/Foto: Stefan Gabriel