25.1.2013 |
Deggendorfer Hochschulpräsident Prof. Dr. Peter Sperber und Freyung-Grafenaus Landrat Lankl sehen die Technologie Campi als Erfolgsgeschichte.
Die Art und Weise, wie die Hochschule Deggendorf ihre Idee der Gründung von Technologie Campi in der Region zum Erfolg führt, findet mittlerweile bayernweit Nachahmer. Hochschulpräsident Prof. Peter Sperber setzt vor allem auf das Miteinander vor Ort, um Technologietransfer nicht nur zum beiderseitigen Nutzen von Wissenschaft und Wirtschaft anzukurbeln, sondern auch um damit aktiv Strukturpolitik zu betreiben.
Am Beispiel des Landkreises Freyung-Grafenau zeigt sich, dass die Technologie Campi innerhalb kurzer Zeit zum Erfolgsmodell geworden sind, wie Prof. Peter Sperber und FRG-Landrat Ludwig Lankl im PNP-Interview feststellen. Wobei es durchaus noch unerfüllte Wünsche gibt.
Herr Professor Sperber, das Konzept der Technologie Campi Ihrer Hochschule hat bayernweit Modellcharakter. Macht Sie das stolz?
Prof. Peter Sperber: Logisch macht uns das stolz. Das ist etwas, was die Hochschule insgesamt stolz machen kann. Was aber uns auch als Region stolz machen kann. Denn die Hochschule hat ja nur die Idee gebracht und den Anstoß gegeben - aber dass sich das jetzt so erfolgreich entwickelt hat, dazu hat auch die Zusammenarbeit mit der Region eine ganze Menge beigetragen. Ohne die würde das alles nicht funktionieren. Da kann nicht nur die Hochschule stolz sein - die Region kann stolz sein, dass ganz Bayern versucht, uns zu kopieren.
Wie ist die Situation speziell in den beiden Campi im Landkreis Freyung-Grafenau?
Sperber: Der Campus Freyung ist jetzt im vierten Jahr in Betrieb. Die Zielsetzung für alle Campi war ja, sich nach fünf Jahren selber zu tragen, selber zu finanzieren. Und da ist die Grenze, ab der das funktioniert, ungefähr eine Million Euro Einnahmen pro Jahr zu generieren. Da war man schnell dran: Im zweiten Jahr hatte Freyung diese Million pro Jahr schon. Wie auch in Teisnach sehen wir hier jetzt nach dem Anfangs-Hype so eine kleine Delle - aber das ist ganz normal. Wie bei jeder Firma, die gleich am Anfang groß hochkommt. Und ich denke, wir werden trotzdem relativ unproblematisch in die Finanzierung reingehen. Was uns da aber helfen würde, wäre natürlich der Titel „Technische Hochschule“, weil dann für die Campi eine gewisse Grundfinanzierung da wäre.
Der Spiegelauer Campus ist noch sehr, sehr jung - und noch nicht voll ausgestattet, weder personell noch von den Geräten her. Er hat aber im ersten Jahr bereits eine ganze Menge an Aufträgen akquiriert - mehr als die 200 000 Euro, die wir im ersten Jahr erwarten würden. Das heißt, Spiegelau läuft mindestens so gut an wie wir es erwartet haben. Ich habe da momentan keine Bauchschmerzen, dass sich das gut entwickelt. Ein Grund dafür ist die Kooperation mit der Universität Bayreuth, die im Bereich Schmelztechnik unglaublich viel Know-how reinbringt. Und die unheimlich viel Engagement reinbringt.
Was verspricht sich der Landrat von den Technologie-Campi?
Landrat Ludwig Lankl: In Sachen demografische Entwicklung ist das ein Baustein, dass wir, die Region, selber was tun können. Wir erleben es, dass nur zehn Prozent der Absolventen unserer Gymnasien in der Region bleiben. Die Campi der Hochschule bieten die Möglichkeit, vor Ort zu studieren und Praktika zu absolvieren.
Der zweite Punkt: Dank der Campi haben sich Firmen bei uns im Landkreis angesiedelt. Es gibt Beispiele, dass Unternehmer nur nach Freyung gegangen sind, weil hier der Campus existiert, weil hier Forschung und Entwicklung vonstatten gehen können. Und in Freyung hat sich auch bereits eine Firma direkt im Campus eingenistet, die erfolgreich gestartet ist und die zwischenzeitlich an einem eigenen Standort erfolgreich unterwegs ist - das ist ein Kind des Campus. Der Campus ist eine Erfolgsgeschichte.
„Wir haben die Zweifel ausräumen können“
Der Campus Spiegelau hat die Glaskrise als Hintergrund. Ich bin froh, dass die Hochschule ja gesagt hat zum zweiten Campus. Dieses Anwenderzentrum ist das Pendant zu Teisnach: In Spiegelau wird das Glas hergestellt, und in Teisnach wird es verarbeitet. Wir sind dabei, wie sich die Glasindustrie ausrichtet für das 21. Jahrhundert. Und das als Symbiose aus Hochschule, Universität und Unternehmen. Wir sind auf einem guten Weg, und es ist für mich unverständlich, dass immer noch einige Leute in führenden Positionen das infrage stellen. Am Anfang sind wir belächelt worden - „solche Einrichtungen sind doch nichts für kleine Städte und Gemeinden.“ Diese Zweifel haben wir ausräumen können. Jetzt hat das Modellcharakter. Und was für mich ganz wichtig ist - jetzt kommt die Europa-Region ins Spiel: Dass wir künftig verstärkt grenzüberschreitend zusammenarbeiten können mit trilateraler Ausrichtung.
Die Campi sorgen also aktiv für Firmenansiedlungen?
Sperber: Wir sehen wirklich, dass diese Campi magnetisch auf Firmen wirken. Wir sehen in Freyung und Teisnach - und ich hoffe in Spiegelau auch bald -, dass Firmen kommen, weil die Hochschule da ist. Zum Beispiel im Gewerbepark Teisnach: Jede einzelne Firma ist nur da, weil die Hochschule da ist.
Eine der Grundideen der Campi war es doch aber auch, dass sie so eine Art Gründerzentren sind - dass sich Firmen im Campus entwickeln. Solche Firmenausgründungen sind aber derzeit noch Einzelfälle. Funktioniert dieses Konzept nicht so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Sperber: Doch, es funktioniert. Nur da können Sie nicht erwarten, dass es im ersten Jahr schon funktioniert. Da brauchen wir genau die fünf Jahre. Denn Ausgründungen aus der Hochschule können erst dann passieren, wenn in den Campi gewisse Entwicklungen da sind, die eine gewisse Marktreife haben. Ich habe nie erwartet, dass wir nach ein oder zwei Jahren überhaupt schon Ausgründungen haben.
Wir haben nicht einen Campus, wir haben mehrere Campi. Das ist etwas, was uns zum Teil eher vorgeworfen wird: Warum alles bei der Hochschule Deggendorf? Es gibt eine ganze Reihe Projekte, die ich nur deswegen machen kann, weil ich das Know-how von mehreren Campi zusammenziehen und Synergien bilden kann.
Was in Freyung und Teisnach möglich ist, ist das im Prinzip an jedem Standort möglich?
Sperber: Das ist an jedem Standort möglich - wenn die Gemeinde bereit ist, nicht nur das Geld aufzubringen, sondern auch mitzieht. Wenn man das Miteinander spürt, die Akzeptanz, dann ist das etwas, was auch auf die Firmen wirkt. Das ist das, was man braucht. Deswegen sage ich: Es funktioniert bei uns ganz gut, aber ich bin mir nicht sicher, dass es überall funktionieren würde, weil ich da immer dieses „Zusammen“ brauche.
Wobei das Finanzierungsmodell für die Akzeptanz doch wohl eher hinderlich ist. Wenn Kritik im Zusammenhang mit den Campi laut wird, dann nicht wegen der Grundidee, sondern aufgrund der Tatsache, dass ein finanzschwacher Landkreis und eine genauso arme Gemeinde die Gebäudlichkeiten zahlen müssen, praktisch für den Freistaat Hochschuleinrichtungen schaffen - am Hochschulstandort Deggendorf muss die Kommune dagegen nichts beisteuern.
Sperber: Man muss aber wirklich einen Unterschied sehen zwischen dem, was in Deggendorf ist, und dem, was in den Campi passiert. Deggendorf ist ein Ausbildungszentrum - Hochschulausbildung
Logistik: „Wir werden Seehofer am Sonntag damit konfrontieren“
ist Aufgabe des Freistaats Bayern. In den Campi machen wir Technologietransfer - eigentlich machen wir da Struktur- und Wirtschaftspolitik. Und da haben wir ganz bewusst gesagt: Wir wollen dahin gehen, wo durch die finanzielle Beteiligung gezeigt wird, dass die Begeisterung für die Idee, dass dieses Miteinander auch wirklich da ist. Klar, es ist eine Belastung, aber es wurde auch keiner gezwungen. Es wurde halt jedem als Chance gegeben.
Lankl: Das hat natürlich kontroverse Diskussionen ausgelöst in den politischen Gremien, weil man ja eh genug Pflichtaufgaben hat, denen man mehr schlecht als recht nachkommen kann. Doch wir dürfen nicht nur jammern - das ist eine strukturpolitisch richtige Entscheidung gewesen. Und wir sehen jetzt die Früchte.
In Freyung muss ich als Landkreis die ersten fünf Jahre 125 000 Euro pro Jahr aufbringen. Und für Spiegelau sind es 450 000 Euro, weil wir uns dort nicht einmieten konnten, sondern neu bauen mussten. Das sind für den Landkreis freiwillige Leistungen. Doch wenn ich nicht in Vorleistung gehe, kann ich nichts erreichen. Und deshalb habe ich gesagt, nachdem der Freistaat für die Campi fünf Millionen Euro Anschubfinanzierung in Aussicht gestellt hatte: Da mag ich dabei sein!
Aber so wie die Prognose ausschaut, und wenn hoffentlich die technische Ausrichtung unserer Hochschule kommt, dass die Grundfinanzierung gesichert werden kann, dann sind wir auf einem sehr guten Weg, dass wir auch finanziell nicht mehr diese Belastung haben.
Welche Forderung könnte man also formulieren, um die finanzielle Seite zu verbessern?
Sperber: Was uns enorm helfen würde: Wenn wir mit den Technologietransferzentren, die ja Technologieentwicklung für die Region machen, so behandelt werden wie Fraunhofer. Fraunhofer ist ja im Prinzip - größer natürlich, im nationalen Bereich - etwa das, was wir im regionalen Bereich machen. Nach dem Fraunhofer-Modell könnten wir mit einer gewissen Grundausstattung weiterarbeiten und die Campi auch weiter ausbauen. Ich glaube, dass wir es schaffen, über unsere Einnahmen die Finanzierung zu schultern - nur ich bin mir nicht sicher, ob wir daneben auch die technologische Weiterentwicklung eines Campus aus eigener Kraft schaffen können.
Das Campi-Konzept ist ja noch nicht abgeschlossen. Gibt es schon konkrete Pläne - zum Beispiel für Grafenau?
Sperber: Der Antrag für Grafenau ist bereits beim Ministerium eingereicht. Wir wollen Grafenau als Logistikzentrum aufbauen. Als wir mit der Idee gekommen sind, hat es geheißen: Vorsicht, zeigt erst einmal, dass Grafenau funktionieren kann. Und wir haben das sehr erfolgreich gezeigt. Wir haben zuerst Bundesmittel akquiriert und die bayerischen Mittel komplett außen vor gelassen. Wir haben das beantragt als ein Netzwerkprojekt des Bundes - das wurde genehmigt und läuft jetzt meiner Ansicht nach gut. Es kommen Aufträge rein, die Firmen beteiligen sich gut. Und jetzt mit diesem Nachweis, dass es gebraucht und angenommen wird, gehen wir weiter und sagen, wir wollen es jetzt aber dann auch in eine Größenordnung bringen, die eine gewisse kritische Masse überschreitet.
Lankl: Die Vorarbeit für Grafenau wurde hervorragend geleistet. Und wir haben ja viel Logistik im Landkreis Freyung-Grafenau. Nur in München heißt es: „Wollt ihr schon wieder fünf Millionen, das kann’s doch nicht geben! Andere warten ja auch schon drauf.“ Werden wir jetzt bestraft dafür, dass wir Kärrnerarbeit geleistet haben, wofür wir belächelt wurden alle miteinander? Und jetzt, wo es klappt, heißt es: Nein, jetzt kommen erst einmal andere dran. Ich würde schon einfordern, dass man gewissermaßen belohnt wird, und nicht bestraft. Die Hinhaltetaktik ärgert mich schon. Da muss der politische Wille da sein. Mit diesem Wunsch werden wir am Sonntag Ministerpräsident Seehofer direkt konfrontieren, wenn er zu einem CSU-Empfang nach Grafenau kommt.
Wer bremst denn da?
Sperber: Bremsen tut mit Sicherheit nicht unser Ministerium, auch Heubisch steht wirklich voll hinter den Campi. Ich hab einfach momentan das Gefühl, dass das Finanzthemen sind. Es wird sehr zurückhaltend mit Geld umgegangen, weil der Freistaat Bayern gewisse Vorgaben hat. Und was man auch nicht vernachlässigen darf: Dass wir mit Argusaugen von anderen Regionen betrachtet werden - und es heißt, „das kann doch nicht nochmal sein?!“
„Unsere jungen Bürger wollen hier wohnen und arbeiten“
Hier in der Region ist Bildung also Strukturpolitik?
Lankl: Unsere jungen Landkreisbürger wollen hier wohnen und arbeiten. Sperber: Aber momentan gehen die jungen Leute eher aus der Region raus. Wir wollen sie zurückbringen. Da wirken die Campi schon relativ stark. Weil die jungen Leute hier mit Firmen in Kontakt kommen - zum Teil Firmen, die sie vorher gar nicht gekannt hätten - und hier ihre Arbeitsplätze finden. Sie wollen ja alle gerne zurück, nur muss ich ihnen hier eine Perspektive geben. In Freyung merkt man das sogar schon in der Bevölkerungsentwicklung. Wir haben inzwischen auch eine ganze Menge Studenten aus München da, die hier ihre Praktika machen - und sehen, dass man hier ja auch leben kann. Und hier bleiben.
Der Erfolg der Campi hängt ja auch davon ab, welche Leute dort tätig sind. Ist es schwierig für Sie als Präsident, geeignete Professoren für diesen Job zu finden?
Sperber: Sie haben es genau richtig getroffen: Ohne einen guten Leiter vor Ort würde das Ding nicht funktionieren. Und es ist nicht ganz einfach, ja. Weil ich nicht irgendeinen hinschicken möchte - sondern einen, der glüht. Wo ich wirklich weiß, dass es funktioniert. Und das ist auch für mich der Grund, dass ich sage, Grafenau wird funktionieren - weil da habe ich jemanden, der das machen würde. Ich würde nicht in jedem Technologiebereich das so sagen. Die Campus-Leiter müssen viel Leistung und ein ganz schönes Engagement aufbringen - sie werden ja von der Hochschule nicht allzu sehr entlastet in ihrem Lehrauftrag. Die müssen einfach nur begeistert sein. Wie in jeder Hochschule sind nicht 100 Prozent der Mitarbeiter so, dass man ihnen das aufdrücken könnte. Und es ist meine Aufgabe, zu entscheiden, kann ich mich in dem Ort, in dem Technologiebereich trauen, noch einen Campus zu machen, weil ich da jemanden hätte; oder lass ich es lieber, weil ich niemanden habe. Wenn ich keinen habe, würde ich es lassen, weil es dann einfach nicht funktionieren kann.
Sie sind auf dem Weg zur „Technischen Hochschule“. Was würde das für einen Effekt mit sich bringen?
Sperber: Eigentlich der unwichtigste Effekt wäre der finanzielle. Das wäre zwar kurzfristig für die Campi sicherlich eine ganz wichtige Sache, dass man in die Fraunhofer-Regelung reinkommt. Aber eigentlich ist das etwas, worauf ich noch verzichten könnte, wenn’s unbedingt sein muss. Was uns als Region aber wahnsinnig helfen würde, ist wieder dieses Spannend-Werden. Dieses Image zu bekommen, diese Aufwertung der Region. Dieses Zurückholen der guten Leute, der Intelligenz, weil sie sehen, da rührt sich was. Je attraktiver wir für Studenten aus ganz Deutschland werden, umso besser können wir dazu beitragen, die Überalterung in der Region aufzuhalten, weil die jungen Leute hierbleiben. Und das ist für mich der Hauptgrund, warum ich Technische Hochschule werden möchte.
Zur Region gehören die Campi, zur Region gehört auch die Bundeswehr. Bei seinem letzten Besuch in der Freyunger Kaserne ist Verteidigungs-Staatssekretär Christian Schmidt auf eine mögliche Zusammenarbeit des Bataillons mit dem Campus Freyung angesprochen worden - gerade im Bereich der Drohnen-Technologie gibt es da ja Überschneidungspunkte. Und der Staatssekretär hat sich interessiert geäußert. Ist schon etwas Konkretes geplant?
Sperber: Konkret gibt’s da noch gar nichts. Ich würd’s liebend gerne machen. Und in der Tat gibt es da Überschneidungsmerkmale. Aber mir war das noch gar nicht so bewusst. Lankl: Dann nehmen wir das als Auftrag aus diesem Gespräch mit, dass wir uns mal in dieser Sache zusammensetzen.
Sperber: Es ist nicht so, dass wir Forschung für Verteidigungsanwendungen ablehnen würden. Ich glaube, im Bereich der Drohnen könnte man viel Know-how verknüpfen. Ich würde mich sehr freuen, wenn man da gemeinsam was machen könnte. Das könnte ein weiterer Arbeitsbereich für den Technologiecampus Freyung werden - und vor allem einer, der nicht konjunkturellen Schwankungen unterliegt.
Quelle: Passauer Neue Presse, 26. Januar 2013